Das Unbeschreibliche – Reisen zu Sri Sathya Sai
Isa Yann
Seit über 20 Jahren fährt die Verfasserin regelmäßig nach Prashanti Nilayam, dem Ashram von Sri Sathya Sai Baba in Südindien. Mit Humor und sprachlicher Eleganz schildert sie ihre äußeren und inneren Reiseerlebnisse.
1. Auflage 2008
156 Seiten, broschiert
Format 12x19 cm
Bestell-Nr. 1103
ISBN 978-3-8334-7456-9
Hinter dem Gitter
Von den Wegen und Umwegen unseres Taxis am Ende unserer Kräfte, hatten wir nicht mehr den Mut, die Zuweisung einer Schlafstelle im Ashram abzuwarten. Die Warteschlange, die sich vor dem für Ausländer reservierten Empfangsschalter gebildet hat, ist unendlich. Ihr bloßer Anblick steigert unsere Müdigkeit. Wir entschließen uns für ein Hotel, in dem uns eine angenehm warme Dusche wieder auf die Beine bringt.
Am nächsten Tag sind wir frisch und optimistisch. Die Tatsache, im Dorf außerhalb der Mauern Ihrer Wohnstatte zu übernachten, zwingt mich, an dem Gitter entlangzugehen, hinter dem sich die Männer vor dem Tempel sitzend aufhalten. Es ist neun Uhr vormittags und Sie befinden sich zwischen ihnen, genau neben dem Weg. Seit Jahren habe ich es mir angewöhnt, mich bei Ihrem Vorbeigehen zu verneigen. Das ist eine Geste der Liebe und der Achtung, die meine unerklärliche (und zurückgehaltene) Lust mitbeinhaltet, vor Ihnen niederzuknien.
Sie haben mir schon die Aufmerksamkeit erwiesen, mein Kopfnicken zu erwidern, als ich mich ganz in Ihrer Nähe befand, um es entgegenzunehmen. Dieses Mal habe ich die Möglichkeit, mich ein wenig tiefer zu verneigen, da ich aufrecht gehe. Ich halte vor dem Gitter nicht vollständig an, denn dies wäre unschicklich, aber ich verlangsame den Schritt in der Hoffnung, Ihren Blick zu kreuzen.
Sie sprechen zu einem Getreuen.
Dann, als ob Sie wüssten, dass ich da bin, heben Sie den Kopf in meine Richtung und schenken mir ihren Blick. Ich verneige mich und Sie verneigen sich auch.
Worte sind ungeeignet, Ihre Grazie, Ihr Lächeln, Ihren inneren Charme zu beschreiben, die aus Ihrer menschlichen Hülle hervorsprudeln.
Sie legen in diesen Gruß die Liebe des Vaters für das Kind, die Zärtlichkeit der Mutter, die aufrichtige Wiedersehensfreude eines Freundes und die Achtung des Göttlichen vor dem Göttlichen, das in mir vibriert. Das ist ein weiteres Mal der Bereich des Unbeschreiblichen.
Ich erinnere mich an einen gewissen 10. Februar, meinen Geburtstag. Wie alle Kinder warte ich zu dieser Gelegenheit auf ein Geschenk.
Sie nähern sich langsam der Stelle, an der ich mich befinde, nehmen eine Hand voll Bonbons, die jemand Ihnen hinreicht, um sie zu segnen und werfen sie in die Runde. Alle Rücken beugen sich, eine Leere entsteht um mich herum, die mich Ihnen so nahebringt.
Ich nutze dies, um mich zu verneigen, das Gesicht auf dem Boden als Zeichen der Liebe. Ein weiteres Mal habe ich den Eindruck, dass Sie und ich uns allein gegenüber sind. Gelegentlich habe ich über das Warum dieser Geste der respektvollen Zuneigung nachgedacht, die ich so selten in die Praxis umsetzen kann. Warum liegt mir diese Art des Grußes so sehr am Herzen, wo ich doch ein Gegner jeder äußerlichen Darstellung bin? Warum erscheint mir dieses äußere Zeichen von Respekt nicht übertrieben?
Ihr verschmitztes mütterliches Lächeln scheint zu antworten wie im Märchen vom Rotkäppchen: „Aber damit ich deinen Gruß besser erwidern kann, mein Kind!“