Jakob Böhme
Schriften für Menschen, die im „vermischten Leben stecken“
Der Mensch in der Schöpfung
Für Jakob Böhme ist der Mensch ein Fremder in dieser Welt, die ihm sogar Feind ist, denn „wo er nur hinsiehet, da siehet er Feinde, die ihn alle berauben wollen“. Er ist ihren Verlockungen ausgesetzt und hat vergessen, dass er in Wahrheit „aus Gott geboren“ ist und dass es nur der „Umwendung des Willens“ bedarf, um seiner wahren Bestimmung zu folgen. Er sagt seinen Lesern: „Ihr seid doch so blind an Gott als ein Stein. Ihr kennt euch selber nicht; noch seid ihr so rasend und streitet um Gott, der ein Macher, Erhalter und Träger aller Dinge ist, der in allen das Zentrum ist …“
„Denke, dass du in dieser Welt nicht daheim bist, sondern bist ein fremder Gast in einem schweren Gefängnis gefangen! Rufe und flehe zu dem, der den Schlüssel zum Gefängnis hat, ergib dich ihm in Gehorsam und Gerechtigkeit.“
Im Menschen sind Himmel und Hölle gleichermaßen enthalten, er birgt in sich Gutes wie Böses. Es ist aber seine Aufgabe, in sich „Gottes Lichtwelt“ zu entzünden und zu dem Menschen zu werden, der er wirklich ist. Er muss erkennen, „dass noch ein ander Leben in uns ist, in dem wir den Grund dieser Welt erkennen“. Böhme schreibt:
„Wir haben beide Mysteria, Göttlich und Teuflisch, in uns, von beiden ewigen Welten und auch der äußern Welt; was wir aus uns machen, das sind wir; was wir in uns erwecken, das ist in uns rege. (…) Was wir wollen, dessen Eigenschaft kriegen wir einen Führer und dahin führen wir uns.“
Entscheidend ist also, wohin sich der Wille des Menschen wendet. Diese Entscheidung oder Aufgabe kann ihm niemand abnehmen, denn „ein jeder muss mit seinem eigenen Schlüssel aufschließen, sonst kommt er nicht hinein“. Hier bemüht Böhme erneut das Bild vom Schlüssel, der uns zur Erkenntnis des Göttlichen verhilft. Wie in der Lehre Sathya Sai Babas steht auch bei Jakob Böhme das Göttliche im Menschen im Mittelpunkt. Dies ist der verborgene Schatz oder das verlorene Wissen, nach dem der Mensch sucht und von dem alle Mystiker künden. Böhme schreibt von zwei „Suchten“ in der Seele, von denen der Mensch getrieben wird. Eine „suchet immer das irdische Wesen, eine ist Gottes Sucht und suchet (das) Himmelreich“.
Der Mensch muss erkennen lernen, was er sei, woraus oder von wem er sei, wozu er geschaffen und was seine Aufgabe sei. Und wenn er erst einmal sich selbst erkannt hat, so erkennt er auch Gott, seinen Schöpfer. In Böhmes Worten: „Und ist mir diese Erkenntnis die allerliebste, die ich jemals erfunden habe.“
Wie Sai Baba ist es auch Böhme nicht daran gelegen, dass „einer soll aus dem Hause von Weibe, Kind und Geschwistern laufen und aus der Welt fliehen oder sein Gut also verlassen, dass er nicht darinnen sein wollte; sondern den eigenen Willen, welcher dieser alles für sein Eigentum besitzet, den muss er töten und zunichte machen“. Keine Lebenssituation ist als solche besser oder schlechter, sondern allein die Einstellung des Menschen ist entscheidend. Das erinnert an Swamis Ausspruch, dass der Mensch sehr wohl „seine Hände in der Gesellschaft“ haben könne, dabei aber mit seinem Kopf „in der Waldeinsamkeit“ leben sollte.
Jakob Böhme vermittelt dem Leser seiner Schriften das Menschenbild, das er in mystischer Schau erfahren hat, und das prinzipiell jeder Mensch ebenso erfahren kann, wenn er nur seine „Augen des Geistes auftut“.
„O tue die Augen deines Geistes auf, du Menschenkind, ich will dir allhier die rechte und wahrhaftige, eigentliche Pforte der Gottheit zeigen, wie es denn derselbe einige Gott haben will. Siehe, das ist der rechte einige Gott, aus dem du geschaffen bist und in dem du lebst: Wenn du die Tiefe und die Sterne und die Erde ansiehst, so siehest du deinen Gott, und in demselben Gott lebest und bist du auch, und derselbe Gott regiert dich auch, und aus demselben Gott hast du auch deine Sinne und bist eine Kreatur aus ihm und in ihm, sonst wärest du nichts.“